PAUL WUNDERLICH & KARIN SZÉKESSY
La Belle et la Bête
Ein faszinierender Querschnitt der Arbeiten des Künstlerehepaars
Vernissage
Freitag, 28. Juni 1996, ab 18 Uhr
Ausstellung
Vom 28. Juni bis 28. September 1996
Nach Picasso und Max Ernst hat kein Künstler einen so gewichtigen Beitrag zur Malerplastik geleistet wie Paul Wunderlich. Seine Figuren und Objekte stehen, thematisch mit seiner Malerei und Druckgrafik vielfältig verbunden, als ein grosser, geschlossener Werkbereich neben Bilder, Zeichnungen, Lithografien. übersetzt in die dritte Dimension verwandeln seine Bildwerke die Realität in Irrealität, das Konkrete ins Fantastische, nicht zuletzt deshalb, weil brauchbare neben zweckfreien Objekten stehen, weil Funktionalität in ihnen sich als Schein, das scheinbar Unnütze im Alltagsgebrauch sich als sinnvoll erweist.
In kaum einer anderen Gruppierung von Wunderlichs bisherigem Lebenswerk ist das Mythologische so unverkennbar zu einem Aspekt unserer Gegenwart geworden. In Plastik und Objekten des Malers verbindet sich die Einfachheit einer Idee mit dem Raffinement des Materials, die Fantasie mit der Perfektion von Form und Formgebung.
Paul Wunderlich erlebte, dass es sich lohnt, niemand anderen als sich selbst zu vertrauen, nichts anderes zu tun, als was einem selbst Vergnügen bereitet; dass es nicht dafür steht, nachzugeben oder sich anzupassen. Die Gefahr dazu bestand ohne Zweifel nie. Wer die biografischen Daten des Künstlers liest, stellt immer wieder fest, dass es in Wunderlichs
bisherigem Leben immer wieder Einschnitte gab, Einschnitte, die nicht durch einen äusseren Zwang bewirkt wurden, sondern durch den Willen des Künstlers, kein anderes Regulativ als die Neigung zu eigenem Tun zu dulden. Beispiele hierfür sind die Zerstörung fast aller frühen Bilder 1957, das Aufgeben der Professur und des Beamtenstatus 1968, die verstärkte Hinwendung zu Plätzen abseits der Öffentlichkeit, 1969 in Holstein, 1963 während der Aufenthalte in Italien und Paris, 1981 in der Provence und immer wieder in seiner Wohnung, in seinem Atelier, wo ihn kaum einer der Nachbarn kennt.
Nichts hat den Künstler in der Beschäftigung mit dem Bildwerk so fasziniert wie die Möglichkeit, ein kaum noch auflösbares Verwirrspiel mit Wirklichkeit und Unwirklichkeit treiben zu können.
Paul Wunderlichs plastisches Werk korrespondiert mit seinem malerischen, zeichnerischen, druckgrafischen in unübersehbarer Weise, dass eine lässt sich nicht von den anderen trennen.
Von Prof. Heinz Spielmann
Vorwort «Paul Wunderlich, Skulpturen & Objekte»
Sie begegnen sich: James Joyce und Paul Wunderlich, der eine im breitkrempigen Hut mit Blindenbrille ein zurück genommenes Gesicht, abwesend, abgerückt.
Ob er sich erinnert? O gewiss, nur anmerken lässt er sich nichts. Und Wunderlich offeriert seine Meinung zu der verschollenen Begebenheit, eine junge jüdische Triestinerin betreffend.
Die Erfahrungen des Autors verschmelzen also mit denen des Zeichners und ergeben ein Wirklichkeitsporträt, dass sich in den Betrachter hineinzuschlängeln und hineinzuwinden weiss, als werde er dazu überredet, sich mit Ironie und Entsetzen injizieren zu lassen. Nicht umsonst sind die Zeichnungen von spitzer Genauigkeit, und Joyce auf seinem lederbezogenen Jugendstilstuhl, unterm Hut den Mund nahezu dozierend geöffnet, scheint dem Betrachter eine abschliessende Lektion in Sehnsucht zu erteilen, wahrscheinlich weil diese verpönt gewesen ist.
Weder Joyce noch Wunderlich freilich haben sich um derlei Moden gekümmert, und die
schwebenden Augen, die Brüste und der Schamschatten, die sich über dem sitzenden Dichter durchs Medium des Zeichenstifts zu materialisieren scheinen, können als Zeichen dafür gelten, dass sich die Kunst subjektiv verjüngt und ihre abstrakte oder konkrete Kruste zerbrochen hat.
Hermann Lenz
Aus den Vorzeichnungen zur Mappe «Giacomo Joyce»
Für Karin Székessy bedeutet die Nähe zur Ihrem Mann Paul Wunderlich, dass sie nicht nur das Doppelte, sondern das Mehrfache leisten musste, um von der Öffentlichkeit gebührend Anerkennung zu finden.
Wenn sich Parallen im Werk der Fotografin und des Malers finden, dann gründen sie sich auf den Kleinklang im Verhältnis von Sehen und Erleben, auf die von beiden in ihrem jeweiligen Metier erfahrene Relation von Fantasie und Wirklichkeit.
Es gehörte von Anfang an zu Karin Székessys handwerklichem Verständnis der Fotografie, dass sie diese von der Pike auf erlernte, seitdem sie sich mit siebzehn Jahren für sie entschieden hatte.
Dass Bildfolgen, die einen Prozess vor Augen führen und Ereignisse wie auf der Bühne hintereinander ablaufen lassen, sich immer wieder im Werk finden, hat seinen Grund in der Passion der Künstlerin für das Theater.
Bis heute verwahrt sich Karin Székessy gegen jedes brutale, indezente, den Augenblick einfrierende und den intimen Bereich des Menschen verletzende Eindringen der Kamera ins Persönliche. Deshalb suchte sie, als sie ihre Bilder aus eigenem Antrieb und nach eigenen Intentionen zu machen begann, stille Räume.
Sie fand sie bald im Atelier von Paul Wunderlich, in dem sie zusammen mit gleichaltrigen Freundinnen ihre ersten Aktfotografien aufnahm.
Die Aktfotografie blieb bis heute für Karin Székessy ein dominierendes Thema. Die Vorliebe für lange Belichtungszeiten und für dunkle Räume ermöglichte es, die geringste Bewegung der hellen Körper im Raum als ein die Körperlichkeit auflösendes Mittel zu verwenden.
Es dauerte eine Zeitlang, bis die ersten reinen Landschafts-Fotografien verwirklicht wurden. Die Anregung dazu gab die Auseinandersetzung mit dem Maler Theodor Sturm und dem Dichter Hans Peter Feddersen. Beide Künstler führten die Fotografin an die schleswig-holsteinische Westküste, an die Nordsee, in die Marschen und Dünen, ins Watt.
Etwas später als die ersten Landschaftsbilder entstanden die ersten Interieurs und Stilleben. Diese zu einer spezifischen Fähigkeit gesteigerten Neigung, Arrangements herzustellen, kam ihr besonders entgegen, als sie die Aufnahmen für die Monographie über Paul Wunderlichs plastisches Werk machte - eine jahrelange Arbeit, an deren Ende die schönste Interpretation stand, die die Kamera für das Werk eines Maler/ Bildhauers lieferte.
Der grösste Gegensatz zum Stilleben ist in der Fotografie die Reportage. Karin Székessy widmet sich ihr immer noch. Ihr Sinn für das Szenenhafte kommt dieser ureigensten Aufgabe des Metiers entgegen.
So sehr die Fotografie ihr Leben bestimmt und so wenig sie nach Jahrzehnten intensiver Arbeit davon ablassen möchte - sie macht aus ihr keine Ideologie, dass heisst, sie beherrscht sie, ohne selbst von ihr beherrscht zu werden.
Von Prof. Heinz Spielmann
Aus dem BATIG-Katalog, Karin Szekessy, Fotografien 1979-1989