294 - Bernhard Hollemann - Im Auge der Mantis (2.5.2005 - 30.4.2005)

Vernissage
Samstag, 2. April 2005 von 14 – 17 Uhr

Um 15 Uhr spricht Dr. Rudolf Novak, Kulturattaché der Österreichischen Botschaft in Bern.

Ausstellung
5. bis 30. April 2005

Die Ausstellung steht unter dem Patronat der Österreichischen Botschaft in Bern.



 

 

 

Drei Stimmen zu Bernhard Hollemann

Betrachtet man seine Blätter genauer, intensiver, so enthüllt sich, vielleicht zunächst zögernd, dann aber recht rasch, eine sehr sensible, und auch in ihrer Empfindsamkeit leicht verletzliche Seele.

Aus dieser Wechselwirkung, so scheint mir, von analytischer Schärfe und gleichsam liebevoller Empfindung, strömen dem Zeichner Hollemann Themen und künstlerische Ausformung zu.

Oftmals in so grosser Fülle, dass sie das Zeichenblatt zu überschwemmen drohen. So versucht er das Ausufern einzudämmen, steckt Grenzen ab in Form von orthogonal gezeich-neten Rahmen innerhalb der Bildfläche, fügt Figuren und Gestalten in ein Rastersystem, gittert sie ein.

Der Zeichenvorgang in dem dies geschieht, ist ein heftiger, impulsiver, rascher. Gestalten, die ihn bedrängen, werden verdoppelt, verdreifacht, vervielfacht.

Der Duktus der Linien ist expressiv überstei-gert, die teilweise eingebrachte Farbigkeit, als substitutives Element, dient dieser Übersteigerung.

Die zeichnerische Geste ist eine weit  ausholende, vom Schwung der Hand getragen, gleichsam den Elan des Geistes fortsetzen.


Prof. Franz Kaindl, anlässlich der Ausstellung «Im Auge der Mantis» im Stadtmuseum Wiener Neustadt, November 2002

Er hält fest, wie die vorzeitlichen Maler der Eiszeit-höhlen die Erscheinungen ihrer Umgebung auf die Höhlenwand zeichneten; aus ähnlichen Voraussetzungen, so will uns scheinen, zeichnet Hollemann die Erscheinungen unserer Welt auf. Ein Festhalten, gleich einem Bannen, einem Zauber.

Mantis religiosa, die Gottesanbeterin – mit langen Fühlern und grossen, weit voneinander getrennten Augen lauert sie regungslos mit erhobenen, zusammengelegten Fangbeinen auf Beute. Diese bizarren «Lauerjäger», die zu den grausamsten der Tierwelt zählen, setzt Bernhard Hollemann ins Zentrum seiner Grafik- und Malzyklen.

Der in Deutschland geborene und seit 1959 in Baden bei Wien lebende Künstler, dem schon viele Insekten «Modell gesessen sind», erarbeitet kontinuierlich Überschneidungen der Lebensweisen von Mensch und Tier: das Tierische im Menschen, das Menschliche im Tier. Insekten und Phantasiegebilde bevölkern seine Arbeiten, sie lauern, hocken, schwirren, verwandeln sich, erinnern an Kafkas mysteriöse Welten, verkörpern auf Ihre Weise – als eine Art Mischwesen – Hollemanns Kommentar zu Umwelt, Intoleranz, unmenschlichen Verhaltensweisen. Manchmal übersteigert, manchmal verharmlosend, manchmal unterhaltend. Immer aber analysierend, hinter der naiven Natur lauert das Böse schlechthin. Urgründe und Abgründe tun sich auf, die Psyche wird «aufgeblättert» – der Mensch in der Maske des Tieres.


Aus: «Der Insektenvermesser», Ausstellungsbeitrag aus der Zeitung «die Presse; Rubrik Schaufenster» (Ref. karg)

In einem Metier, das von so viel Um und Auf geprägt ist, kann nur bestehen, wer unbeirrt seinen Weg geht. Bernhard Hollemann verfügt über diese Hartnäckigkeit in hohem Masse – bis hin zur Dickköpfigkeit. Kein Wunder, dass Kakteen sein Lieblingsgewächse sind.

Doch daneben auch Orchideen. Der harte Stachel ist also nur das eine. Da ist zugleich auch sehr viel Filigranes, Versponnenes, Verträumtes. Und beides, das Aggressive wie das Visionäre, lebt Bernhard Hollemann in seinem Werk aus. Über dieses Spannungsfeld, aus dem sich eine Kunst speist, ist viel gerätselt, viel spekuliert, viel geschrieben worden.

Als unser gemeinsames Buch «Die Leiden der alten Wörter» erschien, hatte ich wiederholt Gelegenheit, Bernhard Hollemann beim Signieren zu beobachten. Während ich, nicht des kleinsten Schnörkels fähig, mich mit meinem blossen Namenszug begnügen musste, reicherte er noch die beiläufigste Widmung mit einer improvisierten zeichnerischen Miniatur an, und nicht nur, dass ihm dabei keinerlei stereotype Wiederholung unterlief, floss ihm jede der Figuren, jedes Motiv, jeder der Geschehensabläufe mit solcher Unangestrengtheit, solcher Leichtigkeit, solcher Selbstverständlichkeit aus der Feder, dass mir rasch klar wurde: Bei diesem Künstler ist nichts ausgeklügelt konstruiert, nichts kühl berechnet. Bei ihm ist alles echt. Und kommt aus einem schier unerschöpflichen Potential des assoziativen Fabulierens, das mit traumwandlerischer Sicherheit ins Bild gesetzt wird.


Dietmar Grieser