Sr. Maria Raphaela Bürgi

Schweiz
24.1.1923, Olten - 7.1.2021, Brunnen

Malerei, Grafik, Glasmalerei, Kunst am Bau, Tapisserien

Die 1923 geborene hat seit frühester Kindheit gezeichnet und gemalt. Ihr erstes, bewusst als Werk gestaltetes Ölbild vollendet sie mit 13 Jahren. Besuch des Vorkurses der Kunstgewerbeschule Basel, später Verkäuferinnen- und Kunstgewerbelehre, gleichzeitiger Besuch der Textilfachklasse der Kunstgewerbeschule Basel. Daneben zahlreiche Abendkurse in kunsthandwerklichen Sparten.

1946 Eintritt in den Orden der Schwestern von Ingenbohl, 1950 Ordination. Über ihre Berufung sprach sie nie - sie blieb ihr Lebensgeheimnis. Nach Eintritt ins Kloster wird ihre künstlerische Neigung entdeckt und gefördert. Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Basel zur Zeichenlehrerin. Ab 1953 Unterrichtstätigkeit an der Mittelschule Theresianum, Ingenbohl.

Künstlerisches Schaffen

Ihre Werke sind klar durchkomponierte Werke, die aus meditativem Zu-Fall entstehen. Anlass und Anregung zu ihren Werken sind oftmals Themen des Alten und Neuen Testaments, sowie Stoffe aus der Antike. Sie äusserte hierzu: «Der Künstler versucht die in den Seelentiefen schlummernden Bilder durch Meditation zu wecken, ans Licht zu heben und ihnen sichtbare Gestalt zu verleihen.» Sr. Raphaela schuf in ihrem reich erfüllten Leben Ölgemälde, Aquarelle, Grafiken, Glas- und Wandbilder.

Ausstellungsdokumentationen

> Ausstellungsdokumentation 2015

 

Motivationssuche

Die 1923 geborene Elisabeth Bürgi besitzt ein jugendlich-lebhaftes Wesen. Im Gegensatz dazu könnte altertümlich wirken, wenn man in ihrer Atelier-Wohnung weder Fernseher, noch Computer, noch Handy entdeckte. Das kleine Radio wurde höchst selten eingestellt, und das Telefon hatte keinen Anrufbeantworter. 

Doch Vorsicht vor zu schnell bestätigten Vorurteilen! Diese vor Energie sprühende, mit hellwachem Geist gesegnete Frau stand mit beiden Füssen im Leben. Den Medienkonsum hatte sie auf konzentriertes Zeitunglesen eingeschränkt, weil sie erkannt hatte, dass die meiste mit Medien verbrauchte Zeit doch nur der Ablenkung und Zerstreuung dient. Sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren, sich immer wieder auf die eigene Existenz zu besinnen, also zu «meditieren», braucht nicht nur keine «Medien», es braucht immer wieder die Einsamkeit – ohne sich je einsam zu fühlen. Im Gegenteil, die Meditation schafft erst die Bedingung für die Möglichkeit, das Ziel zu erreichen, sich mit der Schöpfung innig verbunden zu wissen. Darin kommt der religiöse Grundimpuls zum künstlerischen Ausdruck, und so gesehen war das kreative Schaffen ein Weg für Sr. Raphaela, um in innere Tiefe zu gelangen. Die immer wieder gesuchte Weltabgeschiedenheit war kein Vehikel der illusionären «Weltflucht», sondern ein Mittel, eine Gegenwelt zu schaffen, die von einer tiefer gründigen Realität zeugt. Die in der Meditation errungene zunehmende geistige Freiheit hat dabei stets die künstlerische Freiheit befruchtet – und umgekehrt.

Im erstaunlich vielfältigen Werk ist dies klar dokumentiert. Zugleich war die «Frei-Zeit», die ihr seit der «Pensionierung»  zur Verfügung stand, die notwendige Basis, dass sich die ungewöhnliche Arbeitsdisziplin künstlerisch vollumfänglich entfalten konnte. Geradezu eine stille «kreative Explosion» hatte sich seit dem Rückzug aus dem Berufsleben ereignet – ganz im Sinne von Hannah Arendts Ideal der «Vita contemplativa».


Biografienotizen

Elisabeth Bürgi hat seit frühester Jugend gerne gezeichnet und gemalt. Ihr erstes, bewusst als Werk gestaltetes Ölbild vollendet sie mit 13 Jahren. In einem Blauringlager wird ihr Talent durch die Oltener Künstlerin Alma Lätt entdeckt und unterstützt.

Mit 16 tritt sie in die Kunstgewerbeschule Basel ein. Ohne die entscheidende Förderung durch ihren Vater wäre das damals nicht möglich gewesen, zumal die kinderreiche Familie in bescheidenen Verhältnissen zurecht kommen musste. Die Mutter war schon früh gestorben, der Vater brachte es erst in späteren Jahren bis zum Poststellenleiter.

Nach einem Jahr allerdings bricht die Jugendliche den Vorkurs der Kunstgewerbeschule enttäuscht ab. Sie beginnt eine Verkäuferinnen- und Kunstgewerbelehre in einem Handarbeitsatelier, besucht gleichzeitig an zwei Tagen pro Woche die Textilfachklasse der Kunstgewerbeschule Basel. Daneben lässt sie sich in zahlreichen Abendkursen in weiteren kunsthandwerklichen Sparten zusätzlich ausbilden.

Nach ihrer doppelten Diplomierung erhält Elisabeth Bürgi – dank der Vermittlung durch Alma Lätt – eine Anstellung bei der Basler Behindertenwerkstatt «Webstube». Ihr soziales Engagement wird so auch in berufliche Bahnen gelenkt.1946 tritt sie dem Orden der Schwestern von Ingenbohl bei und wird 1950 zur Schwester ordiniert. Bald nach Eintritt ins Kloster wird ihre künstlerische Neigung entdeckt und entschlossen weiter gefördert. Sr. Raphaela erhält die Gelegenheit, sich an der Kunstgewerbeschule Basel zur Zeichenlehrerin ausbilden zu lassen. 

Konsequenterweise ist ihre berufliche Hauptbeschäftigung ab 1953 die Unterrichtstätigkeit an der Mittelschule Theresianum, Ingenbohl. Daneben bekommt sie von der ihr wohlgesinnten Leiterin schon bald regelmässig Aufträge zu sakral-künstlerischen Arbeiten. Ihre kunsthandwerklichen Techniken perfektioniert sie dabei auf verschiedensten Gebieten, wie zum Beispiel in der Glasmalerei. Ihr berufliches Leben als Pädagogin in den musischen Fächern sei wohl – so ihr rückblickendes Fazit – gelungen. 

Nach einem  reich erfüllten Leben kehrte sie im Herbst ihres Lebensabschnitts ins Kloster Ingenhohl nach Brunnen zurück, wo sie am 7. Januar 2021 verstarb.


Werkbeschreibung

Ihre Bilder wollen ausdrücklich keine Abbilder der Natur sein. Es sind klar durchkomponierte Werke. Entstehende malerische Zufälligkeiten werden als Zu-Fall wahrgenommen und integriert. Zufälle resultieren aus inneren Impulsen. So entsteht eine Ganzheit aus bewusstem Gestalten, verbunden mit unbewussten Anteilen und Assoziationen. Sie entwickelt dabei einen eigenen Malrhythmus und eine eigene Bildersprache. So zum Beispiel steht der Baum für Leben, der Vogel für Seele und Schwerelosigkeit, der Schmetterling für Auferstehung, der Engel als Vermittler von Dies- und Jenseits, usw..

Anlass und Anregung zu ihren Werken geben ihr oftmals Themen des Alten und Neuen Testaments, sowie Stoffe aus der Antike.

Sr. Raphaela: «Der Künstler versucht die in den Seelentiefen schlummernden Bilder durch Meditation zu wecken, ans Licht zu heben und ihnen sichtbare Gestalt zu verleihen.»

Andeutungen ohne Erläuterung der Künstlerin sind wohl kaum erkennbar. Dessen ist sie sich wohl bewusst. Sie sagt denn auch, dass die Bilder für sich selber stehen und gültig sein müssen. Der geistig-künstlerische Entstehungsprozess ist für die Betrachterin nicht mehr massgeblich. Der v.a. in den jüngeren Werken sich manifestierende äusserst komplexe Entstehungsprozess ist meistens gekennzeichnet durch mehrere Schaffensphasen, die eine Eigendynamik entwickeln können, so dann vieles aus früheren Phasen wieder übermalt wird. Ursprüngliche Intention und Endresultat stehen einander nicht mehr in einem simplen direkten Verhältnis von «Plan» und «Ausführung» gegenüber. Da die einzelnen Entstehungsschritte des «Spaziergangs der Seele» (Sr. Raphaela) nicht mehr vollständig sichtbar sind, wird die exakte gedankliche Rekonstruktion zu einem Ding der Unmöglichkeit.

Wesentlich ist aber etwas ganz anderes: Am Ende steht eine kompositorische Einheit. Jeder und jede soll sich selber in den Bildern entdecken können, seine eigenen Assoziationen, Gedanken und Erlebnisse haben und sich ihnen hingeben können. Von den Schaffensphasen, in welchen das Kunstwerk entstanden ist, wird für den Betrachter unmittelbar lebendig allein noch die Stimmung, in der sich die Künstlerin damals befunden hat – dies aber mit aller Kraft und Macht!

Die in der letzten Lebensphase, der «Pensionierung» geschaffenen Werke,  äusserst kräftig farbenfrohe  Bilder, sprüht es nur so von Lebensfreude. Frühere Bilder waren dagegen geprägt von sanften, ruhigen Pastelltönen, andere von dunkel-düsteren Farben mit bedrohlich wirkenden Motiven. Charakteristisch für die jüngeren Bilder ist ausserdem, dass sie scheinbar technisch weniger perfekt und rein sind als frühere Bilder. Kompositorisch sind sie wilder und komplexer, motivisch vielschichtiger.


Ausstellungen, Anmerkungen, Hinweise, Quellen

Ausstellungen Galerie HILT
«Sr. M. R. Bürgi – Bildwelten», 1997
«Sr. M. R.Bürgi - Sommer – Nacht», 2002
«Kunstapéro – Der Traum vom Fliegen», 2004
«Kunstapéro – Mutter Erde, Weites Land», 2007

Ausstellungen (Auswahl)
Paulusakademie, Zürich, 1973
Akademie der Diözese Rottenburg in Hohenheim, Stuttgart, 1977
Galerie «Pro Arte», Hallein bei Salzburg, 1981
Stadthaus, Olten, 1985
Galerie Walcheturm, Zürich, 1983/87
Martins Galerie, Olten, 1989/94

Werke in öffentlichen Raum
Victoriaheim, Bern; Hauskapelle (Beton-Glas-Wand, Tapisserie)
Bezirksspital Muri; Kapelle (Beton-Glas-Wand)
Kloster Ingenbohl; Empfangshalle (Beton-Glas-Wand)
Franziskanisches Kulturzentrum, Morschach; Mattli (Beton-Glas-Fenster)
Alterswohnheim, Brunnen; Kultusraum (grosse Antikverglasung)
Alterswohnheim St. Elisabeth, Bleichenberg (Kapellengestaltung, Antikverglasung, Tapisserie in der Eingangshalle)
St. Claraspital, Basel (Dachgartengestaltung)
Rotkreuzklinik, D-Würzburg; Vortragssaal (Kultusraumgestaltung, Antikverglasung)
Rotkreuzklinik, D-München (Kultusraumgestaltung, Antikverglasung, Tapisserie im Vortragssaal)

Publikationen
«Sr. Maria Raphaela Bürgi – Monographie» 2005
«Sr. Maria Raphaela Bürgi – Beflügelte», «Sr. Maria Raphaela Bürgi – Engel»

 

Sr. Maria Raphaela Bürgi, 2015
In ihrem ehemaligen Atelier in Riehen bei Basel

Verfügbare Werke (Auswahl)