Lorrain Villbois

Schweiz
3.9.1921, Birsfelden - 21.10.1997, Basel

Malerei, Objektkunst

Lorrain Villebois wurde 1921 als Sohn lothringischer Einwanderer der dritten Generation in Birsfelden (Kanton Basel-Landschaft) geboren.

Seine Kindheit, die er selbst rückblickend als glücklich bezeichnete, war geprägt durch den frühen Tod des Vaters, die arbeitsame, strenge und doch auch gute Mutter, eine schwere Krankheit, die grosse Armut der Kriegs- und Nachkriegsjahre und die mythisch-symbolische Welt der katholischen Kirche.

Zur Kunst fand Villebois bereits als Kind einen Zugang, denn er und sein Bruder durften sonntags nach dem Kirchgang häufig die Basler Museen besuchen.

Nach der Schulpflicht erlernte er mangels besserer Möglichkeiten widerwillig den Beruf des Coiffeurs, entdeckte dann die Welt der Literatur und gründete mit seinem Freund Theo Tanner zusammen die noch heute bestehende Buchhandlung (Bider & Tanner, Basel). In diesen «Lehr- und Wanderjahren» baute er u.a. eine Grafik-Abteilung auf und lernte Künstler wie Tinguely und Carigiet kennen.

1950 beschloss Villebois, seinen eigenen Weg zu gehen, und eröffnete eine Galerie. Mehrere Aufenthalte in Paris und Wien Mitte der Fünfziger Jahre führten ihn mit bedeutenden Malern zusammen. Als Galerist lebte er täglich mit der Kunst, doch er wollte seine «eigenen Bilder besitzen», sich selbst äussern.


Der Basler Philosoph Hans Saner (1934 - 2017) war ein enger Freund von Lorrain Villebois und verfasste zu seinem Schaffen ein Essay.

Ist Villebois ein Art Brut-Künstler oder ein Vertreter der Naiven Malerei?

Er selbst bezeichnete sich oft als «Sexsymbolisten» und gab damit den Hauptschlüssel zu seinem Werk. Seine Auseinandersetzung mit Freud und Jung, die Erfahrung der Psychoanalyse und vor allem das erst späte, dann aber unumwunden klare Erkennen der eigenen Sinnlichkeit und Sexualität sind der rote Faden durch sein Werk.

Villebois' Werke sind nie «intellektuell verbrämt», sondern fast immer kindlich heller Ausdruck seines Maltriebes. Ihm gefielen das Spiel der Farben und Formen, der Zauber des Pinselstrichs, die Spur des Spachtels und das Erschaffen einer eigenen Welt mit ganz einfachen Mitteln. Mit demselben Feuer wurde er zum schöpferischen Baumeister, der in Basel und Angenstein fast aus dem Nichts, dafür mit wirklich freier Phantasie (und bewundernswerter Hartnäckigkeit über viel Jahrzehnte hinweg) zwei Gebäude zu neuem, ungemein strahlendem Leben erweckte.

Ein zweites Thema in seinem Werk ist die Liebe die Bewunderung der mediterranen Kultur, vor allem zu Spanien. Die sog. «Eierkarton-Bilder» (übermalte, dreidimensionale Collagen, entstanden in den 80er- und 90er-Jahren) sind häufig Erinnerungen an Reisen und Bekanntschaften. Sie zeigen Stierkämpfer - manchmal Stier und Matador in einem - Arenen und stolze Paare.

 

Lorrain Villebois begann erst 1962, mit über vierzig Jahren zu malen. Zuallererst entstanden Reihen mit dem Titel «Astrals», «Planeten» und «Arenas», poetische Stilleben des Weltalls, geprägt durch kühle geometrische Formen. Unverkennbar sind in dieser Zeit die Einflüsse von Paul Klee, Max Ernst und Pablo Picasso, nicht nur im Stil, sondern auch in der Wahl der Technik. Aus dieser Zeit stammen die meisten seiner Collagen, Frottagen und alle sog. «Schnürbilder».

Fast scheint, als habe der Künstler zunächst Weltenbühnen erschaffen, um ihnen dann Leben einzuhauchen, denn bereits nach kurzer Zeit entwickelte er den eigenen Stil, fand Lorrain Villebois seine innere Bilderwelt, die fortan das Werk bestimmen sollte. Mit beinahe unheimlicher Sicherheit schuf er Flora und Fauna: Eigenartige Gewächse, Blumen von betörender Schönheit, vor allem aber tierhafte Gestalten einer «ausgestorbenen Art» (wie er einige seiner Werke nannte), Mollusken mit Elefantenrüssel, Amöben mit asymmetrischen, ungeradzahligen Beinen, menschenähnliche und doch fremde, manchmal engelhafte, seltener beängstigende Traumfiguren. Es sind durchweg Organismen, die «anatomisch nicht zu erklären» sind (so lautet der treffende Titel eines Acrylbildes von 1965), denn sie sind geistiger, psychologischer Natur. Sie sind schöpferisch erfasste Begegnungen mit erahnten, aber urplötzlich zum Leben erwachten Wesen seiner Innenwelt Welt - der Künstler selbst benutzte bei Gesprächen über seine Malerei häufig den Begriff «Spurensicherung» -, es sind bildgewordene Vorstellungen, Wünsche, Sehnsüchte, Phantasien und Ängste, es sind Antworten einer drängend fragenden Seele.

Die Titel der Ausstellungskataloge von 1975 und 1995 lauten «Vieldeutigkeiten» und «metasymbole». In seinen Bildern tauchen Archetypen tiefsten Ursprungs auf, die - eindeutig - nur er selbst wirklich benennen und erklären könnte. Dennoch bleiben uns die Zeichen nie fremd, es sind Ur-Symbole des menschlichen Daseins, der eigenen Psyche.

Das dritte wichtige Motiv ist die Frau, besser: die Frauen. Sein ganzes Leben haben sie ihn begleitet, gefordert, gestützt, geliebt und zum Verweilen, Nachdenken und Staunen gebracht. Auf seine ihm eigene Weise erkannte er das Wesen der Frau und schuf mit seinen Bildern ein bewunderndes, ungewöhnliches Denkmal.

Text aus einer Ausstellungsbesprechung 1998, Enrico Ghidelli

Verfügbare Kunstwerke (Auswahl)

Publikationen

Lorrain Villebois-Hilt «Metasymbole»

8 Seiten, Farbabbildungen
Galerie bel-arte / Galerie HILT

Lorrain Villebois «Vieldeutigkeiten 1962 - 1967»

8 Seiten,. s/w Abbildungen

Ausstellungen, Anmerkungen, Hinweise, Quellen

1975 Galerie Leresche, Montreux (Contribution to the «Golden Rose '75»)

1975 Galerie Farel, Aigle

1976 Musée de l'Athenée, Genève

1980 Galerie Toni Brechbühl, Grenchen

1981 Kulturamt Berlin-Wedding/Rathaus Schöneberg, D-Berlin (GA)

1981 ART 12'81, Basel

1981 «Alpensagen», Altdorf (GA)

1981 Galerie Fossati, Kilchberg/BL

1982 Galerie Farel, Aigle

1984 Galerie Knecht, Zürich (GA)

1986 Galerie Koller, Zürich (GA); Gallery Fisher, GB-London

1987 Galerie Maske, Zürich

1990 ART 21'90, Basel

1992 Galerie Farel, Aigle (GA)

1993 Galerie De La Tour, NL-Groningen

1994 Galerie Farel, Aigle

1995 Galerie bel-arte, Grenchen

1998 Galerie HILT, Basel